Digital mit Herz

Gedanken zu Pflege, Digitalisierung und Sozialem

Digital mit Herz
Wir freuen uns, den Start unserer neuen mitpflegeleben-Kolumne zu verkünden! Darin werden die Geschäftsführenden der mitunsleben GmbH, Torsten Anstädt und Cornelia Röper, monatlich Erkenntnisse und Anekdoten aus Ihrer Arbeit teilen. Im ersten Beitrag erzählt Torsten Anstädt von alternativen Wohnmöglichkeiten im Alter. Viel Freude beim Lesen.

Letztens im Quartier

… traf ich eine mir wohlbekannte Dame im Café. Sie ist Ende 70 und obwohl sie anders heißt, nenne ich sie hier aus Diskretion Frau Kruse. Frau Kruse blickte so sorgenvoll, dass ich sie ansprach: „Liebe Frau Kruse, kann ich etwas für Sie tun? Sie sehen heute nicht so zufrieden aus wie sonst.“

Frau Kruse erzählte mir über ihre Ängste und Sorgen. Corona habe ihre Pläne ganz durcheinandergebracht. Ursprünglich wollte sie einen Platz im Seniorenheim für sich finden, für die Zukunft. Doch die Besuchsverbote während der Corona-Zeit haben sie abgeschreckt. Frau Kruse hat eine vielbeschäftigte Tochter, die mit ihren Kindern in Hamburg lebt. Die wenigen Male, in denen Tochter und Enkelkinder nach Hessen fahren, um Frau Kruse zu besuchen, sollten wegen eines möglichen Corona-Lockdowns nicht unmöglich gemacht werden. Davor hat Frau Kruse Angst.

Frau Kruse hat während der Pandemie viel nachgedacht, auch darüber, wie sie sich im Alter finanzieren soll. Sie möchte zudem ihrer alleinerziehenden Tochter etwas hinterlassen, was sie finanziell absichert. Gleichzeitig möchte Frau Kruse nicht bis an ihr Lebensende eine enorm hohe Service-Miete, die in einem Seniorenheim anfällt, zahlen.

Pandemie rückt Altersvorsorge in anderes Licht

Corona hat Frau Kruse gezeigt: Auch wenn die eigene Vorsorge für den Pflegefall noch so gut ist – vollkommene Sicherheit hat man nie. Denn das Leben hat immer wieder neue Überraschungen und Herausforderungen parat, die einen zwingen, umzudenken. Dabei hat sich Frau Kruse schon auf das Seniorenstift gefreut, gerade weil sie sich seit dem Tod ihres Mannes einsam fühlt und außer Café-Besuchen im Quartier wenig Kontakt zu anderen Menschen hat.

Ich fragte Frau Kruse, ob sie noch Freundinnen habe und wie es denen gerade ginge? Sie wusste gleich von drei Freundinnen zu berichten, denen ein ähnliches Schicksal widerfahren ist. Wo die Rente so gering ausfällt, dass ein Leben im Seniorenheim unmöglich ist. Oder man muss sich auf eine lange Warteliste eintragen, Ende ungewiss.

Wohngemeinschaften für Senioren – eine schöne Alternative

Frau Kruse erzählte lebhaft und ich fragte sie: „Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, mit ihren Freundinnen zusammenzuziehen. Als eine Frauen-Wohngemeinschaft eine gemeinsame Wohnung anzumieten? Einsam wären Sie dann nicht mehr, Sie könnten sich gemeinsam die Kosten teilen und sparen würden Sie alle zusammen. Und sollte Pflege ein Thema werden, könnte man einen ambulanten Dienst bemühen oder sich eine Pflegekraft teilen.“

Ich konnte Frau Kruse ansehen, welche Gedanken ich bei ihr ausgelöst hatte, mit Ideen, die sie vorher überhaupt nicht in Erwägung gezogen hatte. Wie auch? Sie kannte sich ja nicht aus.

Frau Kruse antwortete dann, dass sie sich eine WG mit ihren Freundinnen durchaus vorstellen könne und ihre Freundinnen sicherlich auch von der Idee angetan wären. Ich entgegnete Frau Kruse, dass das doch wunderbar sei, und schlug vor, dass die Damen sich alle gemeinsam hier im Café treffen könnten, um gemeinsam ihr Budget zu besprechen. Jede der drei Freundinnen kann über ihre Vorstellungen für die WG sprechen, man kann sich bei einer Tasse Kaffee austauschen und Ideen sammeln. Anschließend sucht man gezielt nach einer passenden altersgerechten Wohnung. Gleichzeitig bot ich Frau Kruse an, mich anzusprechen, sollte sie meine Hilfe benötigen, denn immerhin kenne ich mich da bestens aus.

Neue Hoffnung und Perspektive

Das sorgenvolle Gesicht von Frau Kruse war nach unserem Gespräch verschwunden, sie lächelte mich an. Ich konnte ihr ansehen, dass sie wieder Hoffnung schöpfte und eine Perspektive vor Augen hatte. Durch die WG mit ihren Freundinnen bestand die Aussicht, dass sie in ihrer gewohnten und geliebten Wohnumgebung bleiben kann, ohne aber im Alter einsam leben zu müssen. Sie würde selbstbestimmt in einem bezahlbaren altersgerechten Zuhause wohnen. Und sollte sie irgendwann pflegerische Unterstützung brauchen, kann sie einen ambulanten Pflegedienst in Anspruch nehmen.

Das Gespräch mit Frau Kruse hat mich nachhaltig beeindruckt und ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir nicht nur von der älteren Generation lernen, sondern auch wir Senioren Möglichkeiten zeigen können.

Zufrieden bestellten Frau Kruse und ich die legendäre Kirschrolle mit Schokoguss – in unserem Café, in unserem Quartier.

Anregungen und Tipps:

  1. WG‘s im Sozialraum, im eigenen Quartier, können eine spannende Alternative für ältere Generationen sein. Ältere Menschen haben oft Wohnungen, die für sie selbst zu groß geworden sind. Warum diese nicht mit neuem Leben füllen? Eine gezielte Sozielraumanalyse sollte zukünftig auch diesen Aspekt miteinbeziehen, um diese potenziale im Quartier zu erkennen und damit gezielt zu arbeiten.  

  2. Auf mitpflegeleben.de können Anbieter altersgerechte und barrierefreie Wohnungen inserieren und werden von allen Interessierten gleich gefunden. Das Angebot ist bundesweit immer noch viel zu gering und Angebote auf den üblichen Immobilien-Plattformen werden weder den Ansprüchen der Suchenden noch denen der Anbieter für altersgerechtes Wohnen gerecht.

Torsten Anstädt ist Geschäftsführer der mitunsleben GmbH, die die Plattform mitpflegeleben.de entwickelt hat.