Altersgerechte Quartiere: zu Hause alt werden

Wohnen ist ein Lebensbereich mit elementarer Bedeutung für alle Menschen. Mit zunehmendem Alter wird das Wohnen jedoch noch bedeutsamer, weil die Wohnung mehr und mehr zum Lebensmittelpunkt wird. Dabei ist die Gestaltung der eigenen Wohnsituation entscheidend dafür, ob ein Mensch bis ins hohe Alter ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben führen kann. Viele Wohnangebote sind nicht auf die besonderen Anforderungen und Wohnwünsche älterer Personen ausgerichtet. Verstärkt wird das Problem durch die demografische Entwicklung; die Zahl der älteren und unterstützungsbedürftigen Menschen steigt stark an. Daher wurden in den vergangenen Jahren verschiedene neue Wohn- und Betreuungskonzepte entwickelt. Insbesondere das Konzept der altersgerechten Quartiersentwicklung, das seit Anfang 2000 zunehmend umgesetzt wird, bietet älteren Menschen die Möglichkeit, bis ins hohe Alter selbstständig in ihrem vertrauten Wohnumfeld zu leben. 

Ursula Kremer-Preiß, Leiterin des Bereichs Wohnen und Quartiersgestaltung beim Kuratorium Deutsche Altershilfe, klärt darüber auf, wodurch sich altersgerechte Quartiere auszeichnen und welche Vorteile sie gegenüber anderen altersgerechten Wohnmöglichkeiten haben.  

Altersgerechte Stadtplanung

Frau Kremer-Preiß, wodurch zeichnen sich altersgerechte Quartiere aus?

Im Mittelpunkt von altersgerechten Quartierskonzepten stehen die Menschen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen und Lebenslagen. Ziel ist, entsprechend ihrer subjektiven Lebensvorstellungen und Lebenslagen die sozialen Nahräume – also Stadtteile, Dörfer, Gemeinden (Quartiere) – so weiterzuentwickeln, dass ältere Menschen hier auch bei Hilfe- und Pflegebedarf gut leben können. So wird zum Beispiel sichergestellt, dass vor Ort Infrastruktur für den täglichen Bedarf erhalten bleibt oder altersgerechte Wohnangebote in den Quartieren geschaffen werden. Damit sich die Quartiere bedarfsgerecht weiterentwickeln, werden die älteren Menschen selbst und möglichst viele örtliche Akteure – von der Kommune über Wohnungsunternehmen und Kirchengemeinden bis hin zu Dienstleistern – an der Entwicklung der sozialen Nahräume beteiligt. Es gilt, viele Ressourcen, ehrenamtliche Hilfen, aber auch Selbsthilfepotenziale der Älteren zu aktivieren. Und es wird das systematische Zusammenwirken möglichst vieler örtlicher Akteure gefördert, um Synergieeffekt über ein vernetztes Zusammenwirken zu erzielen. Man braucht zum Beispiel nicht für jede Zielgruppe einen Begegnungsraum, sondern ein Quartierszentrum, zu dem alle Bewohner Zugang haben. Für die Umsetzung eines Quartiersprojekts bedarf es eines Verantwortlichen – genannt „Kümmerer“, Quartiersmanager oder Gemeinwesenarbeiter –, der alle zusammenbringt und die Prozesse systematisch steuert.  

Ursula Kremer-Preiß

Leiterin des Bereichs Wohnen und Quartiersgestaltung beim Kuratorium Deutsche Altershilfe

Wird ein altersgerechtes Quartier als ein Ort konzipiert, an dem vornehmlich ältere Menschen wohnen sollen, oder darf die Bewohnerschaft gern eine bunte Mischung aus Jung und Alt sein?

Ein Quartiersprojekt baut man in der Regel nicht neu, sondern es wird in bestehenden Quartieren – also Dörfern, Stadtteilen, Gemeinden – gemeinsam mit den dort lebenden Menschen entwickelt. Die gemeinsam erwirkten Veränderungen kommen daher nicht nur älteren Menschen, die dort wohnen, zugute. Wenn zum Beispiel ein Bürgerbus mit Ehrenamtlichen organisiert wird, profitieren alle von den besseren Verkehrsanbindungen. 

Kann clevere altersgerechte Quartiersentwicklung Altenheime, langfristig betrachtet, überflüssig machen?

Eine gute altersgerechte Quartierentwicklung sichert auch Hilfe und Pflege vor Ort, so dass ältere Menschen möglichst lange in ihrem vertrauten Zuhause wohnen bleiben können. Es werden kleine Hilfen im Haushalt, Hilfen bei Behördengängen oder Fahrdienste mit Unterstützung von Nachbarn oder Ehrenamtlichen organisiert. Auch wird versucht, kleinräumig professionelle Pflege und Betreuung im Quartier zu organisieren. So bietet man zum Beispiel mobile Beratung, mobile Gesundheits- oder Pflegedienste oder Betreuungsangebote dezentral vor Ort an. Auch integriert man kleinteilige Pflegewohnangebote ins Quartier, wie zum Beispiel ambulant betreute Pflegewohngemeinschaften, um eine Pflege rund um die Uhr zu sichern. Ebenso öffnen Heime ihre Angebote für Quartiersbewohner, sodass möglichst viele Menschen zu Hause wohnen bleiben können. Man wird mit der altersgerechten Quartiersentwicklung vielleicht nicht alle Heime überflüssig machen, aber es werden weniger Heimunterbringungen notwendig. Gleichzeitig entwickelt man Heime zu Orten der Begegnung und als Hilfezentren für das Quartier weiter.  

Welche Herausforderungen müssen Länder und Kommunen für die Umsetzung eines altersgerechten Quartierkonzepts meistern?

Damit sich Hilfsstrukturen entwickeln, ehrenamtliches Engagement sich entfaltet und Begegnung im Quartier gestärkt wird, braucht es professionelle Begleitung – einen sogenannten Kümmerer oder Quartiersmanager. Dafür fehlt jedoch oft die Finanzierung. Für diese Art von koordinierenden und aktivierenden Tätigkeiten muss auch über Förderangebote hinaus eine Regelfinanzierung im Leistungsrecht gesichert sein. 

In den vergangenen Jahren haben sich neue Wohnkonzepte für ältere Menschen etabliert, bei denen die Sektorgrenzen zwischen ambulant und stationär verwischen. Sie sprechen von „hybriden“ oder „stambulanten“ Modellen. Welche Wohnformen sind damit zum Beispiel gemeint?

In der Praxis findet man zunehmend Heime, die mehr ambulante Leistungen auch für Quartiersbewohner organisieren, oder Heime, die weg von den Pauschalpaketen mehr wählbare Leistungen für ihre Heimbewohner ermöglichen. Auch findet man Wohnangebote, die Leistungen enthalten, welche es ermöglichen, dass man bei Bedarf zu Hause eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung erhält – wie in einem Heim. Solche Wohnkonzepte verwischen die Grenzen zwischen der stationären und der ambulanten Versorgung immer mehr. Es entstehen „stambulante“ Modelle oder „hybride“ Wohnformen, die viele Freiheiten und viel Selbstbestimmung wie im ambulanten Bereich ermöglichen und gleichzeitig viel Sicherheit wie im stationären Bereich gewährleisten. Diese Wohnkonzepte sorgen dafür, dass die leistungs- und ordnungsrechtlichen Sektorengrenzen immer mehr verwischen.  

Wohnformen wie Service-Wohnen, ambulant betreute Pflege-WGs oder Seniorenstifte werden immer beliebter und sind für viele eine befriedigende Alternative zum Pflegeheim. Ist es vor diesem Hintergrund überhaupt noch wichtig, in altersgerechte Quartiersentwicklung zu investieren?

Viele Menschen schätzen die genannten Wohnformen, weil sie hier viel Versorgungssicherheit finden und gleichzeitig ein hohes Maß an Selbstbestimmung haben. Aber nicht überall findet man solche Wohnangebote und zudem können nicht alle Menschen – aktuell oder in Zukunft – solche Wohnangebote bezahlen. Außerdem muss man hierbei aus seiner Wohnung und damit oft auch aus seinem vertrauten Wohnumfeld ausziehen. Das wollen aber viele Menschen nicht.

Wir können darüber hinaus nicht für alle alten Menschen solche Sonderwohnformen schaffen. Stattdessen sollten wir dafür Sorge tragen, dass die Menschen dort alt werden können, wo sie ihre vertrauten Bezüge haben. Daher lohnt es sich, in eine altersgerechte Quartiersentwicklung zu investieren. Vor allem aber auch, weil diese nicht nur älteren Menschen zugutekommt. Quartiersentwicklung schafft für alle eine Plattform für ein solidarisches Miteinander in identitätsstiftenden Sozialräumen.  

Der Tipp der Expertin: Bringen Sie sich selbst in die Entwicklung ihrer Sozialräume ein. Fast überall gibt es lokale Netzwerke, Nachbarschafts-Initiativen oder Freiwilligenbörsen, wo Sie Ihre Potenziale entfalten können. Davon profitieren Sie nicht nur im Alter, sondern auch in jungen Jahren, denn Beteiligung sichert soziale Teilhabe. 

Weiterführende Infos: Lesen Sie auch unsere Artikel zu den Themen „Quartierskonzepte“ sowie „Beispiele altersgerechter Quartiersentwicklung“. Mehr Informationen über Wohnformen, die ein möglichst eigenständiges und selbstbestimmtes Leben im Alter gestatten, finden Sie hier

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