Startseite > Themen des Monats > Brauche ich ein Testament?
Ohne Testament greift die gesetzliche Erbfolge. Sie sieht eine Hierarchie unter den Verwandten vor. An erster Stelle stehen Kinder, Enkel oder Urenkel, dann folgen Eltern, Geschwister, Nichten und Neffen. Außerdem haben Ehegatten und Partner einer eingetragenen Lebensgemeinschaft (Lebenspartner) ein im Gesetz verankertes Erbrecht. Die gesetzliche Erbfolge führt häufig zu konfliktträchtigen Erbengemeinschaften und bietet nur selten die von den Erblassern gewünschte Lösung. Stiefkinder und nicht verheiratete Partner/Lebensgefährten bleiben zudem bei der gesetzlichen Erbfolge außen vor.
Mit Testament kann man von der gesetzlichen Erbfolge abweichen, der letzte Wille bietet sogar die Möglichkeit, Verwandte zu enterben. Ein Anrecht auf eine Mindestteilhabe (Pflichtteil) haben nur Eltern (sofern keine Abkömmlinge vorhanden sind), Abkömmlinge und Ehegatten/Lebenspartner.
Im Testament kann der Verfasser oder die Verfasserin auch schon eine mögliche Pflegebedürftigkeit berücksichtigen. So können zum Beispiel für die Personen, die sie oder ihn später pflegen, Ausgleichszahlungen festgelegt werden.
Unser Gastexperte Steffen Thüsing, Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt für Erbrecht und Arbeitsrecht sowie Mitglied im VorsorgeAnwalt e.V., klärt über grundsätzliche Fragen zum Thema Testament auf.
Ein Testament ist immer dann sinnvoll, wenn ich von der gesetzlichen Erbfolge abweichen will. Dies ist in sehr vielen Lebenskonstellationen der Fall.
Hierzu nur einige Beispiele:
Eine vollständige Darstellung dessen würde den hiesigen Rahmen sprengen. Ich erläutere jedoch gerne die folgenden wesentlichen Begrifflichkeiten:
Durch Erbeinsetzung wird der Rechtsnachfolger bestimmt. Gegebenenfalls kann ich zudem durch Anordnung von Vor- und Nacherbfolge dafür sorgen, dass nach Eintritt des Erbfalls zunächst eine bestimmte Person (zum Beispiel der Ehepartner) als sogenannter Vorerbe vom Erblasservermögen profitiert und dass zu einem bestimmten Zeitpunkt das Erblasservermögen vom Vorerben auf die so genannten Nacherben (zum Beispiel die Kinder des Erblassers) übergeht.
Durch Vermächtnisanordnung kann ich einem Dritten Vermögen (konkrete Gegenstände wie Schmuck, Pkw etc.) oder Rechte zuwenden. Der Vermächtnisnehmer ist, anders als der Erbe, nicht Rechtsnachfolger.
Durch Anordnung von Testamentsvollstreckung kann der Testamentsvollstrecker als „verlängerter Arm“ des Erblassers eingesetzt werden. Der Vollstrecker stellt sicher, dass sich Erben und sonstige Beteiligte bei der Nachlassabwicklung an die Vorgaben des Erblassers halten.
Der Pflichtteil steht nur Eltern (sofern keine Abkömmlinge vorhanden sind), Abkömmlingen und Ehegatten/Lebenspartnern zu. Der Pflichtteil steht den Genannten zu, wenn ihnen durch Testament etwas genommen wird, was das Gesetz ihnen geben würde. Der Pflichtteil ist ein Geldanspruch, der keine Mitspracherechte hinsichtlich des Erbes beinhaltet. Die Pflichtteilsquote beträgt nur die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
Problematisch kann ein Pflichtteilsanspruch werden, wenn das Vermögen zum Beispiel an eine Immobilie gebunden ist und keine weiteren Gelder vorhanden sind. Pflichtteilsansprüche sind bei der Gestaltung der Erbfolgeregelung regelmäßig zu berücksichtigen.
Grundsätzlich kann ich auch ein eigenhändiges Testament errichten. Dieses muss vom Erblasser von A bis Z eigenhändig geschrieben und unterschrieben werden. Ort und Datum sind zudem wichtig. Auch Eheleute können eigenhändige Testamente errichten.
Problematisch sind bei selbst verfassten Testamenten häufig unklare Formulierungen und die Unkenntnis erbrechtlicher Begrifflichkeiten. Dies führt in der Praxis immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten.
Der Notar hat die Aufgabe den Erblasserwillen festzustellen und in richtiger Anwendung der erbrechtlichen Begrifflichkeiten den Erblasserwillen umzusetzen. Dadurch werden Unklarheiten und Rechtsstreite vermieden. Es empfiehlt sich allerdings auch, einen im Erbrecht versierten Notar zu beauftragen.
Zudem ist das notarielle Testament immer dann zu empfehlen, wenn Grundbesitz im Nachlass ist. Das nach dem Erbfall eröffnete notarielle Testament ersetzt im Regelfall den ansonsten erforderlichen Erbschein. Der Erschein verursacht ansonsten nach dem Erbfall die gleichen Kosten wie ein notarielles Testament, ohne dass eine eindeutige rechtliche Regelung vorliegt.
Die Testamentserrichtung ist ein höchstpersönliches Rechtsgeschäft, bei dem eine Vertretung gesetzlich nicht möglich ist.
Der Tipp des Experten:
Da in nahezu allen Lebenskonstellationen ein Testament empfehlenswert ist, sollte Ihr letzter Wille rechtssicher umgesetzt und nicht der gesetzlichen Erbfolge überlassen werden!
Weiterführende Infos: Sich frühzeitig auf eine eigene mögliche Pflegebedürftigkeit vorbereiten, beinhaltet auch die zeitige Anfertigung eines Testaments. Mit welchen zusätzlichen Vollmachten und Verfügungen Sie sich auf die sichere Seite stellen, zeigen wir in unserem Informationsportal im Bereich „Formulare & Anträge„.
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