Kuren für pflegende Angehörige: Kraft für die Pflege tanken

In Deutschland leben vier von fünf pflegebedürftigen Menschen zu Hause. Ihre Pflege übernehmen meist Angehörige. Die häusliche Versorgung kostet oft sehr viel Zeit und Kraft, viele Pflegende fühlen sich ausgebrannt und erschöpft. Die eigene Gesundheit droht, „den Bach runterzugehen“. Um das zu verhindern, müssen sich pflegende Angehörige hin und wieder vom Pflegealltag erholen. Was viele von ihnen nicht wissen: Unter bestimmten Voraussetzungen haben sie Anspruch auf eine Kur – als Vorsorge- oder als Rehamaßnahme.

Doch was genau sind die Inhalte und Ziele von Kurmaßnahmen für pflegende Angehörige? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Anspruch darauf besteht? Und wie oft darf die Kurmaßnahme wiederholt werden? Diese und weitere Fragen beantwortet uns Michael Küperkoch von der Kurberatung des Caritasverbands für die Stadt Bottrop e.V.

Herr Küperkoch, was sind die Inhalte und Ziele einer Kur für pflegende Angehörige?

Das Ziel ist es, die Fähigkeit der Pflegenden, sich um die Pflegebedürftigen zu kümmern, zu erhalten beziehungsweise wiederherzustellen. Die Pflegenden werden sowohl seelisch als auch körperlich wieder fit gemacht, beispielsweise durch Bewegung und Gespräche. Sie erholen sich ausgiebig und lernen zudem, auch auf die eigene Gesundheit zu achten. Und wer noch nicht allzu lange pflegt, kann auch Beratung und praktische Tipps für die Versorgung der zu pflegenden Person erhalten.

Michael Küperkoch

Fachbereichsleiter Kinder, Jugend, Familie und Berater

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit pflegende Angehörige Anspruch auf eine Kurmaßnahme haben?

Die pflegebedürftige Person muss einem Pflegegrad zugeordnet sein. Das ist nicht unbedingt immer der Fall: Es gibt auch hilfebedürftige Menschen, die auf Zugang zu den Leistungen der Pflegekasse verzichten, da sie nicht offiziell als Person mit Pflegebedarf gelten möchten. In einem solchen Fall hat der oder die pflegende Angehörige leider keinen Anspruch auf Kurmaßnahmen.

Zusätzlich zum Pflegegrad muss der oder die Pflegende seit mindestens sechs Monaten als Pflegeperson benannt sein. Zudem braucht die Pflegeperson eine Verordnung vom Hausarzt. Erst dann sind alle Voraussetzungen erfüllt und der- oder diejenige kann die Kurmaßnahme bei der eigenen Krankenkasse beantragen.

Privatversicherte müssen allerdings zunächst einmal prüfen, ob und welche Vorsorge- oder Rehamaßnahmen überhaupt in ihrem Versicherungspaket enthalten sind. Anders als bei den gesetzlichen Kassen sind diese Leistungen bei privaten Krankenversicherungen nicht immer inkludiert.

Was tun, wenn der Kurantrag abgelehnt wird?

Es kommt in der Tat vor, dass der Antrag abgelehnt wird. Oft lautet dann die Begründung, dass die Ziele einer stationären Kurmaßnahme auch ambulant erreicht werden können. Hier kann man allerdings gut dagegen argumentieren, denn eine ambulante Kurmaßnahme bietet meist keine ausreichende Erholung für die pflegenden Angehörigen. Zu Hause sind diese nämlich nie vollständig abgekoppelt von der belastenden Pflegesituation. Der oder die Pflegebedürftige versteht oft nicht, warum während einer ambulanten Reha ein Pflegedienst kommen soll und weswegen sich die Pflegeperson nicht selbst um die Versorgung kümmert – wie gewohnt. Immerhin ist sie doch da! Das kann zusätzlichen Stress verursachen. Daher ist es wichtig, die Kurmaßnahme an einem anderen Ort durchzuführen. Entsprechend muss dies begründet werden, wenn Widerspruch eingelegt wird. Meist folgt die Kasse der Argumentation und bewilligt die stationäre Kur.

Wie lange dauert die Kurmaßnahme und wie oft darf sie wiederholt werden?

Die Kurmaßnahme dauert in der Regel drei Wochen. Manche Krankenkassen bewilligen zwar nur 20 Kur-Tage, aber wenn die ausgewählte Klinik nur 21-tägige Aufenthalte anbietet – was bei vielen Kliniken der Fall ist –, passt die Krankenkasse ihre Bewilligung meist entsprechend an.

In der Regel kann die Kurmaßnahme nur alle vier Jahre wiederholt werden. Ausnahmen sind jedoch möglich, falls eine besondere Belastung vorliegt. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn sich die Pflegeperson um einen schwerstbehinderten Menschen kümmert, der rund um die Uhr versorgt werden muss. Bei guter Begründung kann dann im Einzelfall etwa auch schon nach zwei Jahren eine erneute Kurmaßnahme bewilligt werden.

Wie lässt sich die Versorgung der hilfebedürftigen Person während des Klinikaufenthaltes der oder des Pflegenden sicherstellen?

Hierfür können Verhinderungspflege oder Kurzzeitpflege in Anspruch genommen werden. Die Pflegeversicherung des Pflegebedürftigen zahlt dann für eine Ersatzbetreuung beziehungsweise für einen vorübergehenden Aufenthalt in einer stationären Pflegeeinrichtung. Durch diese beiden Kassenleistungen sollen Phasen überbrückt werden, in denen die häusliche Pflege nicht gewährleistet werden kann, zum Beispiel weil der pflegende Angehörige wegen Krankheit oder Erschöpfung eine Auszeit braucht.

Manche Rehakliniken bieten pflegenden Angehörigen aber auch die Möglichkeit an, die zu pflegende Person mitzunehmen. Während dann die Pflegeperson Erholung findet und neue Kraft schöpft, wird der oder die Pflegebedürftige vor Ort zeitweise vom Klinikpersonal betreut. Diese Kurform wird sehr gerne von Pflegenden in Anspruch genommen, die sich eine Trennung von der zu pflegenden Person überhaupt nicht vorstellen können. Die positiven Erfahrungen mit der stundenweisen Betreuung lassen dann oft zuhause den Schritt zur Anmeldung in einer Tagespflege wagen; so kann die Kur zu nachhaltiger Entlastung führen.

Welche Kosten müssen Pflegepersonen für eine Kurmaßnahme entrichten?

Wie bei jeder stationären Kurmaßnahme fallen kalendertäglich zehn Euro an. Dabei handelt es sich um die gesetzliche Zuzahlung. Es kann aber auch sein, dass die pflegende Person aufgrund des Familieneinkommens von der Zuzahlung befreit ist. Die restlichen Kosten übernimmt die Kasse.
Wird die zu pflegende Person mitgenommen, zahlt ihre Pflegeversicherung für die Versorgung vor Ort – abhängig vom noch nicht in Anspruch genommenen Budget.

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Der Tipp des Experten

Ich empfehle Pflegenden, die eine Kurmaßnahme in Anspruch nehmen möchten, sich an eine Kurberatungsstelle zu wenden. Kurberatungsstellen werden unter anderem von Wohlfahrtsorganisationen wie der Caritas, dem Deutschen Roten Kreuz, der Diakonie oder der Arbeiterwohlfahrt betrieben und sind bundesweit zu finden. Ob telefonisch oder vor Ort: Kurberaterinnen und -berater klären über das Thema Kur für pflegende Angehörige auf, helfen bei der Antragstellung, empfehlen passende Kliniken und vermitteln zum Teil direkt dorthin.

Weiterführende Infos: Lesen Sie auch unsere Beiträge über Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege. Und falls Sie als pflegende Person auch einmal wieder in Urlaub fahren wollen und ihren pflegebedürftigen Angehörigen mitnehmen möchten, dann könnte ein sogenanntes Pflegehotel die beste Lösung für Sie sein. Erfahren Sie mehr darüber in unserem Artikel „Gemeinsamer Urlaub für Pflegebedürftige und Angehörige“ sowie in unserem Experteninterview „Urlaub für pflegende Angehörige“.
Weitere interessante und nützliche Informationen finden Sie in unseren Experteninterviews zum Thema pflegende Angehörige aus unserem Themenmonat April 2020.

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