Mundhygiene im Alter: Tipps vom Experten

Die Mundgesundheit hat einen wesentlichen Einfluss auf unsere allgemeine Gesundheit und unsere Lebensqualität. Sind Zähne und Zahnfleisch gesund, bleiben uns Mundgeruch, Zahnfleischbluten und Zahnschmerzen erspart – und wir freuen uns über ein schönes Lächeln. Doch nicht nur das: Eine schlechte Mundgesundheit kann auch Erkrankungen wie Diabetes oder Rheuma begünstigen. Gerade im Alter ist daher eine gute Mundhygiene ausgesprochen wichtig – zumal sich sonst das Zahnfleisch zurückbildet und das Risiko für Karies und die Lockerung der Zähne steigt.  
Doch welche Besonderheiten sollten Seniorinnen und Senioren bei der Mundpflege beachten? Woran erkennt man, dass ein älterer und pflegebedürftiger Mensch Unterstützung bei der Mundhygiene braucht? Und wie können Pflegepersonen eine gute Mundgesundheit bei demenziell veränderten Angehörigen sicherstellen? Diese und weitere Fragen beantwortet uns Dr. Elmar Ludwig, praktizierender Zahnarzt, Referent für Alterszahnheilkunde der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg und Landesbeauftragter der Deutschen Gesellschaft für Alterszahnmedizin. 

Herr Ludwig, welche Besonderheiten sind bei der Mund- und Zahnpflege im Alter zu beachten?

Neben Zahnbürste und fluoridhaltiger Zahnpasta sind für viele Menschen im Alter Zahnzwischenraumbürsten sinnvoll. Bei freiliegenden Zahnwurzeloberflächen schützen Zahnpasten mit Zinnfluorid wirksamer vor Karies. Lacke und Gele – aufgetragen im Rahmen der zahnärztlichen Kontrolltermine – runden den Schutz für die Zähne ab. Ist das Zahnfleisch entzündet, können Mundspüllösungen ergänzend empfohlen werden – vorausgesetzt, es besteht keine Gefahr, sich zu verschlucken. Zahnbürsten mit weichen Borsten sind hilfreich vor allem bei empfindlichem Zahnfleisch oder wenn die Zähne nicht selbst geputzt werden. Elektrische Zahnbürsten werden gerne für die Mundpflege im Alter erwähnt, sind aber teuer, werden wegen der Geräusche und Vibrationen nicht von allen Menschen toleriert und wer mit Handzahnbürsten gut zurechtkommt, trainiert damit Körper und Geist besser. 

Dr. Elmar Ludwig

Praktizierender Zahnarzt, Referent für Alterszahnheilkunde der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg und Landesbeauftragter der Deutschen Gesellschaft für Alterszahnmedizin

Haben ältere und pflegebedürftige Menschen häufiger Probleme mit der Mundgesundheit?

Im Alter und vor allem bei Pflegebedürftigkeit führen Immobilität und geistige Beeinträchtigungen dazu, dass die Mundhygiene häufig nicht mehr so ausgeführt wird, wie es nötig wäre. Oft reißt auch der Kontakt zum Hauszahnarzt ab, weil andere Themen im Vordergrund stehen. Viele Medikamente haben Mundtrockenheit als unerwünschte Nebenwirkung. Damit fällt auch der Speichel als natürlicher Wächter und Schutz für die Zähne und die Schleimhäute aus. Können Menschen im Alter nicht mehr gut kauen, wird vermehrt hochkalorische Nahrung zugeführt. Alle diese Umstände bahnen Karies und Entzündungen des Zahnhalteapparates (Parodontitis) den Weg. Fazit: Auch und erst recht im Alter – und ganz wichtig bei Pflegebedürftigkeit – sollten die zahnärztlichen Vorsorgeuntersuchungen weiterhin wahrgenommen werden. 

Welche gesundheitlichen Folgen kann unzureichende Mundhygiene haben?

Bakterien können „in den falschen Hals“ direkt in die Lunge oder über Karies und Parodontitis in die Blutbahn und damit in alle Ecken des Körpers gelangen. Auf diese Weise erklären sich auch die negativen Auswirkungen der Beläge und Bakterien im Mund auf Allgemeinerkrankungen wie zum Beispiel Lungenentzündungen, Diabetes, Rheuma oder koronare Herzerkrankungen. Andersherum gesagt: Sind die Zähne und der Mund sauber, lässt sich der Diabetes besser kontrollieren. Oder: Das Risiko für Lungenentzündungen lässt sich halbieren, allein indem man Zahn-Prothesen nachts aus dem Mund nimmt oder – wenn das nicht geht – den Mund und die Zahn-Prothesen auf jeden Fall vor dem Zubettgehen intensiv reinigt. 

Warum ist das Kauvermögen so wichtig für die körperliche und geistige Gesundheit?

Wer gut kauen kann – am besten mit den eigenen Zähnen – kann alle wichtigen Nährstoffe in der notwendigen Menge aufnehmen. Das verhindert den vorschnellen Abbau von Muskelmasse und kann so die Gebrechlichkeit wenigstens verzögern. Außerdem deuten Studien darauf hin, dass Menschen, die gut kauen können, auch besser mit Stress umgehen und kognitiven Defiziten, wie zum Beispiel Demenz, besser vorbeugen können. 

Woran erkennt man, dass ein pflegebedürftiger Angehöriger Unterstützung bei der Mundpflege braucht? Welche Anzeichen gibt es?

Wenn Zahnbürsten über Wochen keine Verschleißerscheinungen zeigen oder die Zahnpasta nicht zur Neige geht, dann werden die Zähne offensichtlich nicht mehr geputzt. Auch wenn die betroffenen Menschen auf Nachfrage etwas anderes behaupten. Zahnfleischbluten oder Mundgeruch können weitere Hinweise sein, denen man nachgehen sollte. Am besten und am einfachsten ist aber auch hier die Vorbeugung im Sinne zahnärztlicher Kontrollen. Immer mehr Zahnärzte bieten auch an, Hausbesuche zu machen, wenn der Besuch in der Praxis nicht oder nur mit großem Aufwand möglich ist. Gesetzlich Versicherte Menschen mit zugeordnetem Pflegegrad haben Anspruch auf eine zahnärztliche Kontroll-Untersuchung je Kalenderhalbjahr. Zahnärzte können bei einem Hausbesuch nicht alles behandeln, aber sie können schauen, wie es um die Mundgesundheit steht. 

Wie können Pflegepersonen eine gute Mundhygiene bei demenziell veränderten Angehörigen sicherstellen? Haben Sie Tipps für den Umgang und die Kommunikation?

Wie bei allen Pflegemaßnahmen gilt es auch bei der Mundpflege, Ressourcen sowie Vorlieben und Abneigungen zu berücksichtigen und im Sinne einer aktivierenden Pflege zu agieren. Das Hörgerät im Ohr und die Brille auf der Nase, am besten im Sitzen vor dem Badspiegel am Waschbecken bei guter Ausleuchtung. 
Manchmal genügt es, überhaupt nur an die Mundpflege zu erinnern. Manchmal muss man bei der Mundpflege darauf hinweisen, dass noch die Innenseiten der Zähne geputzt werden müssen. Manchmal muss man die Zahnbürste mit der Hand führen oder bei der Ein- beziehungsweise Ausgliederung der Prothesen helfen. 
Ritualisierte Abläufe – zum Beispiel morgens und abends im Rahmen der Körperpflege – sind durchaus bewährt. Es kann jedoch sinnvoll sein, die Rituale zu verändern, wenn die Leistungsbereitschaft mittags größer und damit das Risiko, sich zu verschlucken, zu diesem Zeitpunkt geringer ist. Muss die Mundpflege insgesamt übernommen werden, ist eine ruhige Atmosphäre mit freundlicher Anleitung schon die halbe Miete. Bei abwehrendem Verhalten können Schmerzen die Ursache sein, aber es gibt auch viele andere Gründe, warum die Mundpflege nicht zugelassen wird. Hier gibt es eine Vielzahl spezieller Techniken und es sollten gegebenenfalls professionelle Pflegekräfte oder der Hauszahnarzt zu Rate gezogen werden. Bei der Unterstützung der Mundpflege ist es wichtig, auf die eigene Körperhaltung zu achten (Ergonomie) und ein ungewolltes Verschlucken (Aspiration) zu vermeiden. 

Wie bewerten Sie die Maßnahmen zur Förderung der Mundgesundheit im Bereich der professionellen Pflege?

Bis heute war und ist die Mundhygiene ein Stiefkind der Pflege. Das hat viele Gründe. Früher waren die meisten pflegebedürftigen Menschen zahnlos und hatten Totalprothesen – heute sind viele Pflegebedürftige umfangreich bezahnt. Dadurch ergeben sich völlig andere Anforderungen im Hinblick auf die Mundpflege. Dazu kommen der Personal- und Zeitmangel in der Pflege. Nicht zuletzt gab es aber lange kein einheitlich abgestimmtes Leistungsniveau. Das ändert sich jetzt mit der Einführung des Expertenstandards zur Förderung der Mundgesundheit in der Pflege. Dieser wurde aktuell konsentiert und die Veröffentlichung ist für Herbst 2022 geplant. Dann wird hoffentlich ein Ruck durch die Pflege gehen. Ich wünsche mir, dass auch der Gesetzgeber erkennt, dass für die Umsetzung der heute deutlich aufwendigeren notwendigen Mundpflege-Maßnahmen die Honorierung für die Pflege angepasst werden muss. 

Der Tipp des Experten:
Ich empfehle immer, sich auch selbstständig weiter zu informieren. Nützliche Informationen, Hinweise und Tipps zum Thema Mundgesundheit gibt es etwa auf folgenden Seiten: 

Weiterführende Informationen: Lesen Sie auch unseren Artikel zum Thema Mundsoor- und Parotitisprophylaxe.

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Wir haben uns entschieden, Ihnen in Kooperation mit der Gutersohn-Apotheke eine sogenannte „Pflegebox“ ganz einfach zugänglich zu machen – in Apotheken-Qualität. Darin enthalten sind zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel im Wert von 40 Euro (während der Pandemie sogar 60 Euro), die Menschen ab Pflegegrad 1 monatlich zustehen. Alles, was Sie tun müssen, ist, den Antrag auszufüllen und an uns zu senden. Wir kümmern uns um die Abwicklung. Die Pflegekassen genehmigen die Box mit den Verbrauchshilfsmitteln für mindestens ein Jahr. Der Inhalt kann ganz einfach monatlich angepasst werden.

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