Wie man ältere Menschen ans Trinken erinnert

Dehydrierung oder auch Exsikkose ist das alljährliche Sommerthema in der Pflege. Wenn draußen die Temperaturen steigen, droht vor allem älteren, pflegebedürftigen Menschen hoher Flüssigkeitsverlust und Austrocknung des Körpers. Dies kann gravierende Folgen haben und massive gesundheitliche Schäden nach sich ziehen, kurzzeitige und bleibende.

Ältere Menschen sind besonders gefährdet. Doch woran liegt das und wie lässt sich Dehydrierung bei ihnen vermeiden? Diese und viele weitere Fragen beantwortet uns Mechthild Plümpe, examinierte Altenpflegerin und Pflegedienstleiterin beim ambulanten Pflegedienst Thomas Rehbein in Wiesbaden.

Pflegekraft schenkt Tee ein

Frau Plümpe, wie viel Flüssigkeit braucht eigentlich ein Mensch?

Es gibt Theorien und einfache Formeln, die den Flüssigkeitsbedarf eines Menschen definieren. Meist geht es dabei um ca. 1,3 bis 1,5 Liter Trinkflüssigkeit. Über Nahrung und den eigenen Stoffwechsel kommt noch einmal mindesten ein Liter hinzu. Durch Atmen, Schwitzen, Stuhlgang und Urin scheiden wir die Flüssigkeit wieder aus. Soweit die Theorie. Die Wirklichkeit sieht manchmal anders aus. Ich habe im Laufe meiner Pflegetätigkeit viele ältere Menschen kennengelernt, die mit etwa der Hälfte der empfohlenen Wassermenge prima lebten und mir hoch und heilig versicherten, dass sie auch in jüngeren Jahren nie mehr getrunken haben. Interessanterweise waren dies so gut wie immer Frauen.

Mechthild Plümpe
Mechthild Plümpe, examinierte Altenpflegerin und Pflegedienstleiterin beim ambulanten Pflegedienst Thomas Rehbein in Wiesbaden.

Was sind die Symptome für Dehydrierung?

Im Pflegealltag gibt es etliche erste Anzeichen. Dazu gehören zum Beispiel Mundtrockenheit, Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Kopfschmerzen, Kreislaufprobleme und Schwindel. Zu den typischen Symptomen zählen zudem eine dunkelgelbe bis hin zu bräunliche Urinfarbe, chronische Stuhlverstopfung oder geistige Verwirrungszustände. Bei einem älteren Menschen die mangelnde Hautspannung als einen Indikator für Dehydration zu nehmen, halte ich hingegen für nicht aussagekräftig, denn die Altershaut hat eine deutlich herabgesetzte Spannung und erlangt diese auch nicht mit hoher Flüssigkeitsgabe zurück.

Wie kommt es zur Austrocknung?

Ein gesunder erwachsener Mensch mittleren Alters besteht zu ca. 65 Prozent aus Wasser. In fortgeschrittenem Alter verringert sich der Anteil auf etwa 50 Prozent oder noch etwas weniger. Vor diesem Hintergrund könnte es nach meiner Einschätzung für einen älteren Menschen durchaus schneller gefährlich werden, wenn eine Dehydration droht, hervorgerufen zum Beispiel durch Medikamente wie Diuretika oder Laxantien oder auch einfach nur durch Schwitzen. Entzündungen und Infekte spielen ebenfalls als Ursache für Austrocknung eine große Rolle, genauso wie Durchfall und Erbrechen.

Haben nach Ihrer Erfahrung viele Senioren Probleme, was das Decken des eigenen Flüssigkeitsbedarfs betrifft?

Selbständige Senioren haben interessanterweise so gut wie keine Probleme mit Dehydration. Sie verlassen sich auf ihr Durstgefühl und kommen prima zurecht.

Anders sieht es aus bei älteren Menschen mit Einschränkungen in der Mobilität oder mit dementiellen Veränderungen. Sie sind angewiesen auf die Hilfe von Angehörigen oder Pflegekräften. Diese wohlmeinenden Pflegenden tun natürlich ihr Bestes, um Trinkpläne abzuarbeiten und gute Ratschläge oder Theorien über „normale“ Trinkmengen umzusetzen. Doch hier entsteht auch Konfliktpotenzial: Viele pflegebedürftige Senioren wollen nicht gesagt bekommen, wann und wie viel sie trinken sollen. Sie sind genervt, wenn die Pflegenden ständig mit irgendwelchen Getränken kommen. Die Pflegenden sind wiederum besorgt, wenn der ältere Mensch nicht genug trinkt, und versuchen es mit Argumenten, Ermahnungen und gar Drohungen. Ich habe schon erlebt, dass an diesem Thema Beziehungen und Familien zerbrochen sind.

Welche Tipps haben Sie für unsere Leser beim Thema Dehydration?

Sehr wichtig sind Rituale: Eine heiße und duftende Tasse Kaffee – vielleicht mit Milchschaum und wechselnden Sirupsorten – am Vormittag. Nachmittags gibt es dann beispielsweise Tee mit Gebäck. Grundsätzlich sollte zu jeder Mahlzeit Wasser gereicht werden, gern auch eine leichte Apfel- oder Weinschorle.

Menschen, die aufgrund ihrer Demenz das Trinken vergessen oder das Durstgefühl nicht mehr zuordnen können, brauchen attraktive Anreize. Dies könnte zunächst einmal nette Gesellschaft sein, denn mit anderen schmeckt es immer irgendwie besser. Bei der Art der Getränke sollte man sich immer an den Wünschen der Menschen orientieren. Das Getränkeangebot sollte groß und vielseitig sein, zum Beispiel süß, sauer, bitter, salzig, frisch, kalt, warm oder heiß. Die Getränke sollten in schönen, passenden und stilvollen Gefäßen gereicht werden, wo immer das möglich ist. Getränke müssen – insbesondere für Demenzkranke – gut sichtbar sein und verlockend aussehen. Sie müssen erreichbar sein. Hier empfehlen sich zum Beispiel schön anzusehende Frucht-Cocktails mit Trinkhalm und Obst. Auch Suppen, Gemüse, Kompott und andere Speisen haben selbstverständlich ihren Anteil an der Flüssigkeitsbilanz.

Mit einem sorgfältig geführten Trinkprotokoll kommen wir Vorlieben und ganz individuellen Bedarfen auf die Spur. Trinkappelle und wortreiche Erklärungen über die Wichtigkeit einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr erreichen hingegen nur selten ihr Ziel.

Der Tipp der Expertin:
Wenn Sie Pflegekraft oder pflegende Angehörige sind – erst einmal ausatmen und locker machen. Setzen Sie sich nicht selbst unter Druck, ein bestimmtes Ziel (Trinkmenge) erreichen zu müssen, sonst geht Ihre gute Absicht nach hinten los. Druck erzeugt Gegendruck und verhindert jede Leichtigkeit. Respektieren Sie den Willen eines jeden Menschen und setzen Sie lieber auf Kreativität, Freude, gute Laune und Geselligkeit. In einer solchen Atmosphäre gelingt die Dehydrationsprophylaxe wesentlich leichter!

Weiterführende Infos:
Neben dem erhöhten Risiko einer Dehydrierung gibt es bei demenziell veränderten Menschen noch viele weitere Dinge, die bei ihrer Betreuung beachtet werden müssen. Lesen Sie dazu unser Dossier zum Thema Demenz sowie unsere Experteninterviews aus dem Themenmonat Mai.

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