Digital mit Herz

Gedanken zu Pflege, Digitalisierung und Sozialem

Digital mit Herz

Für Viele ist die Lebensplanung für das spätere Seniorenalter essenziell. Damit man selbst abgesichert ist und die eigenen Kinder von der Planung entlastet werden. Doch nicht immer passt das, was man sich in jungen Lebensjahren vorstellt mit der tatsächlichen Lebenssituation für ältere Menschen zusammen. Ist die Wohnung wirklich barrierefrei? Gibt es im Haus einen Aufzug, so dass ich als älterer Mensch mühelos in meine Wohnung gelangen kann? Torsten Anstädt erzählt von einer Begegnung mit einem Seniorenpaar, das sich genau diesem Problem und diesen Fragen stellen musste.

Letztens im Quartier

… traf ich meinen Nachbar Thomas (80). Er ist vor 7 Jahren mit seiner Frau Gerda (79) in unser Quartier gezogen, ein sehr nettes Paar.
Thomas und Gerda haben berufsbedingt in Asien und Südamerika gelebt, haben aber Ihr Standbein – ein sehr schönes und großes Einfamilienhaus mit Garten in der Nähe von Frankfurt – immer behalten.

Start der Lebensplanung

Als Thomas dann in Rente ging und die Kinder mit Ihren eigenen Familien in der ganzen Welt verstreut waren, wurde Gerda der Garten und Thomas das Haus zu groß.
Das war damals ein guter Zeitpunkt, den Lebensabend zu planen.
Gerda und Thomas waren damals noch sehr sportlich: Sie golften einmal die Woche, reisten nach wie vor sehr gerne in die Welt und freuten sich auf die Enkelkinder, wenn sie zu Besuch kamen.
Gerda und Thomas entschieden sich schließlich für eine wunderschöne Altbauwohnung in einer sehr gepflegten Villa mit Gärtner und Hausmeister, mit fünfminütigem Fußweg zur Innenstadt und zum Park sowie 20 Minuten vom nächsten Golfplatz entfernt. Und mit Blick über die ganze Stadt. Alles richtig gemacht!?

Da die beiden sehr offen und kontaktfreudig sind, haben wir uns damals auch sofort in der Nachbarschaft kennengelernt. Wir haben zusammen einige witzige Situationen erlebt.
Als Thomas zum Beispiel an einem Sonntagmorgen nur mit einem weißen Bademantel – wie Udo Jürgens – bekleidet vor meiner Türe Stand. Er wollte nur kurz die Pflanzen im Treppenhaus gießen, da flog die Wohnungstür hinter ihm zu und der Schlüssel steckte von innen. Thomas und ich haben uns nett unterhalten, während ich versuchte, seine Wohnungstür mit meiner Kreditkarte zu öffnen. Am Ende mit Erfolg. Das Ganze sollte sich in den nächsten Jahren noch zweimal wiederholen.

Unverhofft kommt leider viel zu oft

Die beiden waren regelmäßig golfen und joggen und natürlich viel auf Reisen.
Doch vor ca. 18 Monaten begann das Unerwartete. Gerda hatte immer wieder Schwindelerscheinungen und wurde etwas wackelig auf den Beinen. Es kam, wie es kommen musste: Sie stürzte über einen Teppich in ihrer Wohnung. Das verunsicherte sie. Und bald darauf stürzte sie ein zweites Mal, diesmal vor dem Haus.
Ihre Ärztin versuchte, sie mit Medikamenten zu behandeln. Doch die Therapie hatte viele Nebenwirkungen und wenig Erfolg. Gerda kam leider nicht mehr zu ihrer alten Form zurück und Thomas Blicke wurden immer sorgenvoller. Er war ratlos und wusste nicht, wie es nun weitergehen sollte.
Ihre wunderschöne Altbauwohnung war nun mal im 2. OG und schien für Gerda unerreichbar. Thomas hatte Angst, Gerda alleine die Treppen gehen zu lassen, und somit schränkte sich die gewohnte Mobilität für beide schlagartig ein.

Neustart

Nun stand Thomas wieder mal vor meiner Türe, aber diesmal mit etwas Wehmut und um sich zu verabschieden. Die beiden haben nun, leider außerhalb unseres Quartiers, eine neue Wohnung gefunden, mit Aufzug und barrierefrei.
Ich freue mich aber auch schon darauf, mit Thomas und Gerda mit einem Glas Rotwein auf Ihre neue Wohnung anzustoßen. Und wieder mal mit ihnen über die alten Bademantel-Geschichten zu lachen.  

Anregungen und Tipps:

Sie sind mit dem Problem, nicht mehr in den ersten Stock ihres Hauses oder in ihre Wohnung kommen zu können, nicht alleine: Ca. 95% aller deutschen Haushalte haben keinen Aufzug oder Treppenlift. Bei der Wohnungssuche empfiehlt es sich grundsätzlich, Folgendes zu beachten:

  1. Beim Kauf oder Anmietung Ihrer vorläufig letzten 4 Wände auf Aufzug und barrierefreie Architektur achten.
  2. Es gibt in fast jeder Kommune eine Beratungsstelle „Für selbständiges Wohnen im Alter“ oder Wohnraumberatungen, die mit Ihnen durch Ihre Wohnung gehen und gefährliche Barrieren und Stolperfallen entfernen.

Wenn Sie oder Ihr Lebenspartner über einen Pflegegrad verfügen, haben Sie Anspruch auf wohnumfeldverbessernde Maßnahmen in Höhe von 4.000 Euro pro Person – haben Sie beide einen Pflegegrad, dann auf 8000 Euro. Pflegebedürftigkeit kann manchmal ganz plötzlich ins eigene Leben einbrechen, etwa nach einem Unfall oder einer Erkrankung. Daher sind Sie auf der sicheren Seite, wenn Sie Ihr Zuhause möglichst früh barrierearm gestalten.

Torsten Anstädt ist Geschäftsführer der mitunsleben GmbH, die die Plattform mitpflegeleben.de entwickelt hat.