Kosten und Finanzierung eines Heimplatzes

In Deutschland leben mehr als 750.000 Pflegebedürftige in Einrichtungen der stationären Langzeitpflege – also fast ausschließlich in (Alten-)Pflegeheimen. Für diese Personen wird ein Teil der Heimkosten durch die Pflegeversicherung übernommen, meist ist der größere Teil allerdings privat zu tragen. Dabei sind diese Eigenanteile schon heute so hoch, dass rund ein Drittel der Heimbewohner auf Hilfe zur Pflege – also auf eine Sozialhilfeleistung – angewiesen ist. Eine bessere Personalausstattung der Heime und eine bessere Entlohnung der Pflegekräfte wird die Heimkosten zukünftig weiter steigen lassen und das Finanzierungsproblem verstärken. Nun plant der Bundesgesundheitsminister eine Reform, die Pflegebedürftige systematisch vor Verarmung schützt.

Prof. Dr. Heinz Rothgang von der Universität Bremen erläutert, welche Kosten für Heimbewohner entstehen und warum eine Begrenzung der Eigenanteile erforderlich ist.

Herr Prof. Dr. Rothgang, was kostet aktuell ein Platz in einem Pflegeheim?

Die Entgelte für jeden Pflegeplatz setzen sich aus mehreren Bestandteilen zusammen. Die monatlichen Entgelte für die eigentliche Pflege betragen aktuell bundesdurchschnittlich etwa 2.200 Euro, die für Unterkunft und Verpflegung 775 Euro und die für Investitionskosten etwa 450 Euro. Von den Entgelten für pflegebedingten Leistungen werden – wiederum durchschnittlich – etwa 1.400 Euro von der Pflegeversicherung getragen. Das bedeutet also, dass bundesdurchschnittlich mehr als 2.000 Euro als private Eigenanteile aufgebracht werden müssen. Dabei unterscheiden sich die Niveaus zwischen den Bundesländern und auch innerhalb eines Bundeslandes zwischen den Einrichtungen erheblich.

Prof. Dr. Heinz Rothgang

Professor für Gesundheitsökonomie
Leiter der Abteilung Gesundheit, Pflege, Alterssicherung SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik Universität Bremen

Sind denn weitere Kostensteigerungen für die Zukunft zu erwarten?

Ein Rückblick zeigt, dass die Heimentgelte kontinuierlich und in jüngster Zeit verstärkt gestiegen sind. Wir können zudem mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Pflegesätze zukünftig noch weiter steigen werden. Das ist unvermeidlich, wenn wir den Einrichtungen eine bessere Personalausstattung ermöglichen und gleichzeitig die Pflegekräfte besser entlohnen wollen. Beide Maßnahmen sind ausdrückliche Ziele der von zwei Bundesministern und einer Bundesministerin ins Leben gerufenen Konzertierten Aktion Pflege. Diese Maßnahmen werden die Personalkosten aber deutlich steigen lassen – und auf die Personalkosten entfallen rund 80 Prozent der pflegebedingten Kosten. 

Was passiert, wenn das Einkommen nicht ausreicht, um diese Eigenanteile zu zahlen?

Wenn die monatlichen Einkünfte nicht ausreichen, um die Eigenanteile vollständig zu tragen, müssen zuerst die bestehenden Vermögenswerte der Pflegebedürftigen und ihrer unterhaltspflichtigen Angehörigen eingesetzt werden. Und wenn das Vermögen verzehrt ist, greift als letztes Auffangnetz das Sozialamt, das dann Hilfe zur Pflege gewährt. Das trifft aktuell auf rund ein Drittel aller Heimbewohner zu – Tendenz steigend. 

Aber ist nicht der Sinn der Pflegeversicherung, genau das zu verhindern?

Das Hauptargument für die Einführung der Pflegeversicherung war, dass Bürger nach einem durchschnittlichen Erwerbsleben nicht mehr durch Pflegebedürftigkeit in die Sozialhilfe fallen und so zu „Taschengeldempfängern“ werden sollten. Das ist bis zu einem gewissen Umfang auch mit Einführung der Pflegeversicherung 1995 erreicht worden, mit deren Hilfe die Sozialhilfequote deutlich gesenkt werden konnte. Die aktuellen Entwicklungen laufen diesem Erfolg jetzt allerdings entgegen, da die steigenden Eigenanteile von einer immer kleineren Gruppe noch aus dem eigenen Einkommen und Vermögen finanziert werden können. 

Lohnt es sich, denn den Ort der Pflege nach den Kosten auszuwählen?

Im Moment sind Pflegeplätze eher Mangelware – nicht zuletzt, weil die Einrichtungen nicht genug Personal haben, mehr Pflegeplätze anzubieten. Hier wird also eher die Verfügbarkeit als das Preisniveau entscheidend sein. Grundsätzlich stehen bei der geographischen Auswahl einer Pflegeeinrichtung aber sowieso andere Kriterien im Vordergrund, wie das Ziel, das bestehende soziale Umfeld nicht verlassen zu müssen oder aber in die Nähe der erwachsenen Kinder zu ziehen. Daher sehen wir keine große preisbezogene Pflegeplatzmigration, weder zwischen den Bundesländern noch ins benachbarte Ausland.  

Empfehlen Sie den Abschluss einer privaten Pflegezusatzversicherung?

Die Finanzierungslücke verlässlich durch eine private Pflegezusatzversicherung zu schließen, halte ich für unmöglich. Das liegt zum einen daran, dass nur ein kleiner Bevölkerungsteil über die finanzielle Fähigkeit und den Willen verfügt, eine solche Versicherung abzuschließen. Zum anderen liegt das am Design dieser Versicherungsprodukte. Da es aktuell sehr unsicher ist, wie hoch die Eigenanteile in vielleicht 50 Jahren einmal sein werden, können die Versicherungsunternehmen hierzu kaum verlässliche Risikoberechnungen anstellen. Eigenanteilsversicherungen sind daher nicht auf dem Markt. Angeboten werden vielmehr überwiegend Pflegetagegeldversicherungen, die aber ihrerseits das Risiko einer nicht zutreffenden Kalkulation der „Versicherungslücke“ vollständig bei den Versicherten belassen. Genau dieser Risikoverteilung hat sich jetzt der Bundesgesundheitsminister angenommen und eine systematische Lösung ab dem Jahr 2021 angekündigt. 

Können Sie den Kern dieser Systemreform „auf dem Bierdeckel“ erklären?

Ein Pflegebedürftiger, der in ein Pflegeheim zieht, unterliegt einem zweifachen finanziellen Risiko. Da die Pflegeversicherung nur pauschale Zuschüsse zu den Pflegesätzen gewährt, liegt das Risiko steigender monatlicher Eigenanteile ausschließlich beim Pflegbedürftigen. Gleichzeitig ist für diesen unklar, wie lange diese Eigenanteile zu zahlen sind. Der Pflegebedürftige trägt sozusagen das Risiko seiner eigenen Langlebigkeit: Wer länger lebt, zahlt über die Zeit seiner Pflegebedürftigkeit einen höheren Gesamteigenanteil. Dieses doppelte Risiko führt dazu, dass eine effektive Abschätzung der Pflegekosten und eine entsprechende Absicherung nicht möglich sind. Jens Spahn greift nun einen Vorschlag auf, den mein Team und ich für die Initiative Pro-Pflegereform erarbeitet haben: Er schlägt vor, den monatlichen Eigenanteil für die Pflegeleistungen auf maximal 700 Euro zu limitieren und die Zahlungsdauer auf höchstens 36 Monate festzuschreiben. Wenn das umgesetzt wird, ist klar, dass niemand mehr als diesen Eigenanteil leisten muss – unabhängig von der Dauer der Pflegebedürftigkeit und unabhängig von der Kostenentwicklung für Pflegeleistungen. Dieser maximale Eigenanteil von 25.200 Euro ist dann auch tatsächlich versicherbar. 

Der Tipp unseres Experten: Derzeit können private Pflegezusatzversicherungen die Finanzierungslücke nicht präzise abdecken. Nach Umsetzung der Reformvorschläge des Bundesgesundheitsministers ist eine Versicherung des maximalen Eigenanteils dagegen möglich und sinnvoll, um pflegebedingte Sozialhilfeabhängigkeit zu vermeiden. 

Weiterführende Infos: Einen Überblick darüber, wie sich die Pflegeheimkosten zusammensetzen und welche Finanzierungsmöglichkeiten es gibt, können Sie sich in unserem Artikel „Pflegeheimkosten und Finanzierungsmöglichkeiten“ verschaffen. Lesen Sie auch unseren Beitrag zum Thema „Pflegeheimkosten bei Abwesenheit“.

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